Deutsche Borreliose-Gesellschaft e.V.
Diagnostik und
Therapie der
2008
Lyme-Borreliose
April 2008
April 2008
1
Diagnostik und Therapie
Diagnostik der Borreliose
der Lyme-Borreliose
Zielstellung der Diagnostik ist die möglichst frühe Er-
Empfehlungen der Deutschen
kennung und Behandlung der Borreliose sowie die
Kontrolle des Therapieerfolges.
Borreliose-Gesellschaft
5. Mai 2008
1 Die tägliche Praxis
In der täglichen Praxis kommen in der Regel 3 ver-
Von einer Arbeitsgruppe der Deutschen Borreliose-
schiedene Situationen vor:
Gesellschaft mit folgenden Mitgliedern verfasst:
R. von Baehr, W. Berghoff, H. Bennefeld,
Situation 1
H.-P. Gabel, F. Hartmann, W. Heesch, G. Herrmann,
Der Patient kommt mit festgesaugter Zecke oder
P. Hopf-Seidel, B.-D. Huismans, W. Klemann,
unmittelbar nach Entfernung einer Zecke in die Pra-
U. Neubert, A. Roczinski, A. Schwarzbach,
xis. Es ergeben sich folgende notwendige Hinweise an
B. Weitkus, C. Uebermuth, J. Viebahn, P. Voss
ihn:
Diese Empfehlungen wurden im Rahmen der Jahres-
• Den Ort des Zeckenstiches mindestens 4 Wochen
versammlungen
2006 und
2007 der Borreliose-
(maximal 6 Wo.) beobachten und bei Auftreten einer
Gesellschaft von Mitgliedern der Arbeitsgruppe vor-
Rötung sofort wieder vorstellen !
gestellt. Kritische Hinweise und Ergänzungen wurden
• Das Gleiche gilt für das Auftreten von Fieber ohne
in diesen Empfehlungen berücksichtigt. Die vorlie-
Rötung (Erythem) !
gende Fassung entspricht dem Stand der Diskussion
• Für andere Symptome wie z.B. Cephalgien,
vom Februar 2008. Diese Empfehlungen werden wei-
Arthromyalgien, radikuläre Schmerzsyndrome u.a.,
ter diskutiert und aktualisiert werden.
die bei dem Patienten neu auftreten, gilt eine Nach-
beobachtungszeit von mindestens 12 Monaten. Da
Mit Borreliose ist im folgenden immer die Lyme-
Erstmanifestationen einer Borreliose auch nach ei-
Borreliose gemeint.
nem noch längeren Zeitraum auftreten können, ist
bei einer „unklaren Erkrankung nach früherem Ze-
ckenstich“ stets die Borreliose differentialdiagnos-
Inhalt
tisch zu berücksichtigen.
Diagnostik der Borreliose
Die Veranlassung einer sofortigen serologischen Un-
1 Die tägliche Praxis
tersuchung ist nur sinnvoll, wenn es sich um einen Ze-
2 Symptomatik der Lyme-Borreliose
ckenstich während einer beruflichen Tätigkeit (Aus-
2.1 Symptome der Lyme-Borreliose
schluss einer bereits früher erfolgten Borrelien-
im Frühstadium
Infektion) oder um Patienten mit Borrelioseanamnese
2.2 Symptome der chronischen Lyme-Borreliose
handelt.
3 Labordiagnostik
3.1 Direkte Nachweisverfahren
Falls die Zecke zur Verfügung steht, besteht die Mög-
3.2 Indirekte immunologische
lichkeit, mittels Borrelien-PCR nachzuweisen, ob es
Nachweisverfahren
sich um eine infizierte Zecke handelt. Eine unbedingte
Notwendigkeit besteht für diese Untersuchung nicht,
Therapie der Borreliose
da auch ein negatives PCR-Ergebnis Borrelien nicht
4 Antibiotische Behandlung
100%ig ausschließt und bei einer positiven PCR eine
4.1 Monotherapie
Übertragung der Borrelien nicht erfolgt sein muss
4.2 Kombinationstherapie
(11). Wenn der Arzt diese Untersuchung empfiehlt,
5 Gegen Borrelien wirksame Antibiotika
wird er bei einem positiven Testergebnis nicht umhin
können, eine antibiotische Behandlung wie bei einem
Literatur
manifesten Frühstadium der Borreliose zu verordnen,
da eine Borrelieninfektion erfolgt sein könnte.
2
Situation 2
gen und Fotos von Hautveränderungen durch die Be-
Der Patient schildert Symptome, die durch Frühma-
troffenen selbst dringend zu empfehlen.
nifestationen einer Borrelieninfektion hervorgerufen
sein könnten.
Situation 3
Ein Erythema migrans oder ähnliche Hautbefunde
Der Patient kommt mit Symptomen, die durch Spät-
sind eine Indikation für eine sofortige Behandlung.
manifestationen einer Borrelieninfektion bedingt sein
könnten.
Sonst Anamnese: Kontakt mit Haus- oder Wildtie-
Anamnese: Zeckenstiche, Risikoberuf, Erytheme, frü-
ren1? Aufenthalt im Hausgarten oder in der freien Na-
here und aktuelle Symptome.
tur? Zeckenstich2? Saugakt über welchen Zeitraum?
Körperliche Untersuchung: unter anderem Hautver-
Veränderungen der Einstichstelle (Juckreiz, Brennen,
änderungen? Gelenkveränderungen? Neurologische
Rötung, Schwellung, kreisförmige Rötung3, tastbare
Auffälligkeiten?
Schwellung oder weitere Farb- oder Konsistenzverän-
Bei Spätmanifestationen der Borreliose sind weniger
derungen)?
häufig typische Symptome und Befunde zu erwarten.
Diese sind:
Eine Frühborreliose kann bereits vermutet werden,
Acrodermatitis chronica atrophicans inkl. Vorstufen
wenn etwa 10 bis 14 Tage nach einem Zeckenstich
(pathognomisch für eine Borreliose)
grippeähnliche Symptome4, erhebliche Müdigkeits-
Morphaea
oder Erschöpfungsgefühle eventuell mit migrierenden
Mono- oder assymmetrische Oligoarthritiden der
flüchtigen Arthromyalgien (neu) auftreten.
großen Gelenke
Chronische Enthesitiden
Die Körperstelle des Zeckenstichs ist wegen mögli-
cher Folgen der Borrelieninfektion in unmittelbarer
Zeichen der chronischen Neuroborreliose sind:
Nachbarschaft des Zeckenstiches wichtig:
Periphere Neuropathien, diffuse Schmerzsyndrome
• Kopf- und Halsregion > frühe neurologische Kom-
Kognitionsstörungen, psychische Veränderungen
plikationen.
Fokale Encephalitiden (sehr selten).
• Bei Gelenknähe
> arthritische Zeichen bzw.
Schmerzen im betreffenden Gelenk.
Uncharakteristische Allgemeinsymptome wie „Grip-
pegefühl“, subfebrile Temperaturen, Müdigkeit und
Sprechen die Anamnese und Symptome für eine
Erschöpfung, depressive Stimmungslage, diffuse
Frühmanifestation der Borreliose, ist eine Ganzkör-
Schmerzsyndrome können in allen Stadien der Borre-
perinspektion der Haut notwendig. Nur so sind diskre-
liose vorhanden sein.
te multiple Erytheme oder ein Lymphozytom (beson-
Bei Situation 3 ist eine serologische Labordiagnostik
ders bei Kindern an Ohrläppchen, Mamillen und Ge-
und bei Verdacht auf Neuroborreliose eine Liquorun-
nitalien) zu finden.
tersuchung (Borrelien IgG- und IgM-ELISA; IgG- und
IgM-Immunblot) der Borrelieninfektion immer indi-
Bei Situation 2 ist eine Labordiagnostik (Borrelien
ziert. Bei unklaren serologischen Befunden und als
IgG/IgM-ELISA und Immunoblot) der Borrelienin-
Ausgangsbefund für die Therapie-Verlaufkontrolle ist
fektion immer indiziert. Bei klinischem Verdacht auf
der LTT-Borrelien zu empfehlen. (Weiteres unter La-
eine Neuroborreliose ist eine Liquorpunktion u.a. mit
bordiagnostik)
Untersuchung auf borrelienspezifische Antikörper in-
diziert.
Besondere Probleme bereitet die Borreliose bei älteren
Nur bei einem typischen Erythema migrans kann zu-
Patienten, da differentialdiagnostisch oft zahlreiche
nächst auf eine serologische Untersuchung verzichtet
andere Erkrankungen
(Multimorbidität) mit Über-
werden, diese sollte dann aber nach ca. 6 Wochen er-
schneidungen der Symptomatik zu beachten sind.
folgen, um einen Ausgangsbefund für den weiteren
Verlauf zu erhalten.(Weiteres unter Labordiagnostik)
2 Symptome der Lyme-Borreliose
Für einige Berufsgruppen (u.a. Land- und Forstwirte,
Tierärzte) sind die Folgen von Zeckenstichen in die
Liste der entschädigungsfähigen Berufskrankheiten
2.1 Symptome der Lyme-Borreliose im Früh-
von den Berufsgenossenschaften aufgenommen wor-
stadium
den. Für die Anerkennung solcher Leistungsansprüche
Das Frühstadium ist charakterisiert durch das Erythe-
ist eine besonders sorgfältige Dokumentation der
ma migrans, das in etwa 50% der Fälle beobachtet
Anamnese sowie klinischen und Laborbefunde durch
wird (12). Gleichzeitig kommt es oft zu einem grippe-
den behandelnden Arzt sowie Tagebuchaufzeichnun-
ähnlichen Krankheitszustand. Auch können bereits im
3
Frühstadium folgenden Symptome bzw. Erkrankun-
Magen-Darm-Symptome
gen auftreten:
• Übelkeit, Magendruck und Magenschmerzen, Auf-
stoßen.
Migrierende Arthromyalgien, flüchtige Arthritiden,
• Diffuse Bauchschmerzen mit Blähungen.
Myositiden, Bursitiden,
• Häufig Durchfälle, selten Verstopfung.
Enthesitiden
Muskulo-skelettale Beschwerden
Radikuläre Schmerzsyndrome
• Gelenkschmerzen, meist in den großen Gelenken
Cephalgie
mit wechselnder Lokalisation
• Erkrankung von Hirnnerven (insbes. Facialisparese)
• Muskelschmerzen wie bei Muskelkater oder plötz-
• Sensibilitätsstörungen
lich einschießende messerstichartige Schmerzen
• Herzrhythmusstörungen: AV-Überleitungsstörun-
• Steifheitsgefühle der Muskulatur
gen, ventrikuläre Erregungsausbreitungsstörungen
• Schienbein- oder Fersenschmerzen im Liegen
(RSB, LSB)
• Nacken- und/oder Kopfschmerzen mit Ausstrahlung
in die Schulterregion
• Sehnenschmerzen mit und ohne Schwellungen, v.a.
2.2 Symptome der chronischen Borreliose
der Achillessehnen, Symptome wie bei Karpaltun-
Die Borreliose ist eine Multiorganerkrankung. Des-
nel-Syndrom, Fußsohlenschmerz durch Plantarfas-
halb kann die Untersuchung auf nur einem Fachgebiet
ziitis
zu Fehlern bei der Diagnosestellung führen. Dieser
• Rezidivierende Schwellungen der Finger, Zehen,
Gefahr kann nur durch eine interdisziplinäre Zusam-
Hande
menarbeit bei der Erfassung möglichst vieler Informa-
• Epicondylopathie („Tennisarm“) und Bicepstendi-
tionen und deren diagnostische Analyse entsprechend
nopathie („Schulter-Arm-Syndrom“)
einer Multiorganerkrankung begegnet werden.
• Atemabhängige Brustkorbschmerzen, v.a. verur-
sacht durch schmerzhafte Rippen-Brustbeingelenke
Patienten mit chronischer Borreliose geben meist fol-
• Nachts betonte LWS/BWS-Schmerzen
gende Hauptbeschwerden an: Gesteigerte Müdigkeit
• Kiefergelenksschmerzen, Kiefergelenksknacken
und Erschöpfung,
„wandernde“ muskulo-skelettale
Schmerzen, Cephalgie, Hirnleistungsstörungen und
Neurologische Symptome
psychische Veränderungen.
Erkrankung der Hirnnerven:
Folgende Symptome können bei einer chronischen
• Geruchsveränderungen (N.olfaktorius)
Borreliose auftreten (meist mehrere aus verschiedenen
• Sehstörungen mit Verschwommensehen oder Ge-
Organgruppen gleichzeitig) (21).
sichtsfeldeinschränkungen (N. opticus); Cave: MS
• Pupillenstörungen auf Licht mit Mydriasis und Ani-
Vegetative Symptome
sokorie, schmerzhafte Augenbewegungen, Doppel-
• Müdigkeit, Erschöpfbarkeit (Fatigue)
bilder (N. oculomotorius, N. abducens, N. trochlea-
• Schweißausbrüche, v.a. nachts und ohne körperliche
ris)
Anstrengung sowie Hitzewallungen
• „Zahnschmerzen“ und Zungenbrennen sowie Sensi-
• Frösteln und Frieren
bilitätsstörungen des Gesichtes durch Irritationen im
• Lymphknotenschwellungen, v.a. axillär und ingui-
Versorgungsgebiet des N. trigeminus
nal, oft auch in der Nähe der Primärinfektion
• Gesichts- und Lidschlusslähmungen, meist einseitig,
• Fieberschübe
sehr selten auch beidseitig, Ohrenschmerzen, Ge-
• geringe körperliche Belastbarkeit, diffuses Krank-
räuschüberempfindlichkeit, Augentrockenheit durch
heitsgefühl (sich nie mehr richtig fit fühlen)
Tränensekretionsstörung, Geschmacksstörung für
• Neue Nahrungsmittel- (und Alkohol)unverträglich-
süß, salzig und sauer (N. facialis)
keiten
• Tinnitus, Hörsturz, Schwindel (N.stato-acusticus)
• Geschmacksstörungen, Schluckstörungen, einseitige
Halsschmerzen, Zungengrundschmerzen (N. glos-
Kardiale Symptome
sopharyngeus)
• Herzrhythmusstörungen (v.a. nächtliche Tachykar-
• Heiserkeit, Stimmlosigkeit, Schluckstörung und pa-
dien, Palpitationen, Extrasystolen)
rasympathische Symptome wie Bradykardie
• Erregungsleitungsstörungen mit passagerem AV-
(N.vagus)
Block I. bis III. Grades, Linksschenkel- und Rechts-
• Schulterhebung und Kopfdrehung beeinträchtigt (N.
schenkelblock
accessorius)
• Myo- und/oder Perikarditis
• Zungenbeweglichkeitsstörung mit Phonationsstö-
• Dilatative Kardiomyopathie
rung (N.hypoglossus)
4
Störungen des zentralen Nervensystems
• Pseudotumor orbitae, Periorbitale Ödeme und Haut-
• Nackenschmerzen und -steife
veränderungen
• Häufige und heftige Kopfschmerzen, diffus oder
• Augendruckerhöhungen als Folge eines entzündli-
halbseitig auch stirnbetont, die kaum auf Analgetika
chen Sekundärglaukoms
ansprechen
• Störungen des Gedächtnisses, der Konzentration,
Hautsymptome
der Auffassungsgabe, des Lesens, Lernens, Spre-
• Erythema migrans und Borrelien-Lymphozytom,
chens mit häufigen Versprechern und Wortfindungs-
multiple Erytheme, Erythemrezidive
störungen
• Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) als ty-
• Schlafstörungen
pische, bei längerem Bestehen in ein atrophisches
• Stimmungsschwankungen, Depressionen, Gereizt-
Stadium übergehende entzündliche Hautveränderung
heit, Aggressivität
• Fleckförmige atrophische Hautpartien (Anetoder-
• Panikattacken und diffuse Angstgefühle
mien) als Residuen einer Dermatitis atrophicans ma-
• ADS-Symptomatik, Tics, v.a. bei Kindern
culosa.
Aufgrund einzelner kasuistischer Mitteilungen über
Periphere Nervenstörungen
kulturell oder molekularbiologisch gelungene Erre-
• Kribbelparästhesien, Brennschmerzen, „Elektrisie-
gernachweise oder serologische Befunde an größeren
ren“ oder stichartige Schmerzzustände, meist in den
Patientenkollektiven ist im Einzelfall ein ätiologi-
Extremitäten, gelegentlich am Rumpf
scher Zusammenhang mit einer Borrelieninfektion bei
• einhergehend mit Veränderungen der Oberflächen-
folgenden Dermatosen in Betracht zu ziehen:
sensibilität (meist Hyperpathien /Hyperalgesien)
• Roseoläres Exanthem
• Rückenschmerzen und Ischialgien/Brachialgien
• Niedrig-malignes kutanes B-Zell-Lymphom
nachts betont (Bannwarth-Syndrom)
• Zirkumskripte Sklerodermien (Syn.: Morphaea)
• Schmerzen der Kopfhaut und der Haarwurzeln
• Lichen sclerosus et atrophicus
(Schmerzen beim Kämmen, sog. Haarwurzelkatarrh)
• Dermatomyositis
• Unwillkürliche Muskelzuckungen, teilweise auch
• Noduläre Pannikulitis
Tonuserhöhungen der Muskulatur mit Steifheitsge-
• Granuloma anulare
fühlen beim Gehen
• Plötzlicher Kraftverlust eines Beines mit Abknicken
Bemerkung: Unter der Vielzahl der aufgeführten sel-
im Kniegelenk und dadurch Fallneigung mit Sturz-
tenen und häufigeren Symptome gelten nur das E-
gefahr
rythema migrans, das Borrelien-Lymphozytom und
die Acrodermatitis chronica atrophicans
(ACA) als
Urogenitale Symptome
krankheitsbeweisend (pathognomisch).
• Blasenbrennen und Druck auf der Blase mit Pollaki-
surie
• Blasenentleerungsstörungen, Inkontinenz
3 Labordiagnostik
• Sexuelle Beeinträchtigungen, Libidoverlust
• Potenzstörungen
Eine rationale und gezielte Labordiagnostik ist immer
• Rezidivierende Schmerzsyndrome (Prostata, Hoden,
dann indiziert, wenn von Patienten Symptome und
Ovar, Blase, Vagina.
Beschwerden angegeben oder klinische Anzeichen ge-
funden werden, die durch eine Borreliose hervorgeru-
Augen-Symptome
fen sein könnten.
• Sehverschlechterung, Metamorphopsien (Verzerrt-
sehen), Gesichtsfeldverlust/Skotome, Störung des
3.1 Direkte Nachweisverfahren
Farbensehens, Augenschmerzen, Störungen der
Die Borreliose ist eine Infektionskrankheit. Unter
Okulomotorik mit binokularen (beidäugigen) Dop-
streng wissenschaftlichen Kriterien (gilt besonders für
pelbildern, schmerzhafte Augenbewegungen, Schie-
Studien als Grundlage für wissenschaftliche Publika-
len unklarer Genese.
tionen) ist deshalb nur der kulturelle Nachweis von
• Rezidivierende Entzündungen aller Abschnitte des
Borrelien beweisend für eine aktive Borrelieninfekti-
Auges (Konjunktivitis, stromale Keratitis, Iritis,
on. Die Sensitivität dieser Methode ist jedoch für die
Uveitis, Zyklitis, Retinitis, Papillitis, Neuritis nervi
tägliche Praxis zu gering.
optici und Retrobulbärneuritis), retinale Gefässent-
Der Nachweis von Borrelien-DNA mittels Polymera-
zündung und Glaskörper-Netzhautentzündungen un-
sekettenreaktion
(PCR-Borrelien) ist zwar kein
terschiedlicher Lokalisation und Lage (Vitritis, reti-
100%iger Beweis für das Vorhandensein vitaler Bor-
nale Vaskulitis, Periphlepitis, Chorioiditis, Choriore-
relien, dennoch von hoher Beweiskraft für eine aktive
tinitis, Retinochorioditis) mit/oder ohne Maculabe-
Borrelieninfektion. Die Sensitivität der Borrelien-PCR
teiligung
5
ist besonders bei Spätmanifestationen der Borreliose
zu 15% der Patienten serologisch falsch negativ ein-
verhältnismäßig gering. Dennoch sollten bei Vorhan-
gestuft werden können. Ursache dafür ist, dass das im
densein von Liquor bei Verdacht auf Neuroborreliose,
Immunoblot vorhandene Antigenspektrum meist nicht
bei verdächtigen Hautbefunden aus der Hautbiopsie
identisch im ELISA-Suchtest enthalten ist. Der Im-
und bei sonstigen Biopsien und Punktaten immer Un-
munoblot ist das spezifischere und sensitivere Nach-
tersuchungen zum Erregernachweis erfolgen.
weisverfahren für Antikörper gegen Borrelien.
Hinweis:
Die Qualität der Borrelienserologie ist durch die Ein-
Bei Patienten mit Spätmanifestationen bzw. persistie-
führung rekombinanter Antigene zweifellos verbessert
render Borreliose, besonders vor anstehenden Gutach-
worden. Zu kritisieren ist jedoch,
ten, sollte mehr als bisher versucht werden, den Erre-
dass es bisher keine verbindlichen Vorgaben für die
gernachweis zu führen: Borrelien-PCR und Kultur
Hersteller von entsprechenden Diagnostika gibt, wel-
aus Biopsien der Haut und anderer betroffener
che spezifischen Borrelienantigene im Testbesteck
Gewebe.
vorhanden sein müssen und
dass gegenwärtig noch keine Prüfungen der Test-
Die Borrelien-PCR ist zur Zeit noch keine EBM-
chargen mittels eines geeigneten Serumpanels vor ei-
Leistung. Der kulturelle Nachweis von Borrelien ist
ner Freigabe durch eine staatlich legitimierte unab-
eine EBM-Leistung.
hängige Prüfeinrichtung durchgeführt werden.
Die Sensitivität dieser Methoden ist zwar relativ ge-
Ein negativer serologischer Befund kann, besonders
ring, die Spezifität und damit Beweiskraft für eine ak-
bei frühen Manifestationen der Borrelieninfektion, ei-
tive Borrelieninfektion ist jedoch sehr hoch, was bei
ne Borreliose nicht ausschließen.
den bekannten Schwierigkeiten im Rahmen von Be-
Ein positiver serologischer Befund sagt aus, dass der
gutachtungen sehr wichtig sein kann.
Patient zu irgendeinem Zeitpunkt eine Borrelieninfek-
tion erworben hat. Es ist jedoch nicht möglich zu ent-
scheiden, ob diese Infektion zum gegebenen Zeitpunkt
3.2 Indirekte immunologische Nachweisver-
noch aktiv oder bereits ausgeheilt ist. Diese Entschei-
fahren für eine Borrelieninfektion
dung kann nur der behandelnde Arzt auf der Grund-
lage der bei seinem Patienten bestehenden Symptome
Nachweis von Antikörpern gegen Borrelien (Bor-
und Beschwerden treffen. Der Begriff „Serumnarbe“
relien-Serologie)
in Verbindung mit einem positiven serologischen Be-
Die Borrelienserologie ist die Basisdiagnostik für die
fund sollte ohne Kenntnis der jeweiligen Klinik nicht
Frage, ob eine Borrelieninfektion vorliegen könnte.
verwendet werden.
Bei der großen Anzahl auf dem Markt befindlicher
Liquoruntersuchungen
Testbestecks verschiedener Hersteller besteht für alle
Bei klinischem Verdacht auf Manifestationen der Bor-
Testmethoden
(ELISA, Immunfluoreszenz, Immu-
noblot) eine eingeschränkte Vergleichbarkeit der Be-
reliose im Bereich des zentralen Nervensystems ist ei-
funde unterschiedlicher Labore. Deshalb sollten im
ne Liquoruntersuchung vor und ggf. nach antibioti-
Untersuchungsbefund die verwendete Methode und
scher Behandlung (Therapiekontrolle) indiziert. Eine
der Hersteller des entsprechenden Testsystems ange-
Pleozytose, Erhöhung des Eiweißgehaltes und der
Nachweis einer intrathekalen Synthese von borre-
geben werden.
Die Untersuchung auf das Vorhandensein von borre-
lienspezifischen Antikörpern (dafür muss immer eine
lienspezifischen Antikörpern ist nur mittels Immu-
gleichzeitig gewonnene Blutprobe eingeschickt wer-
den) werden als beweisend für eine akute Neuroborre-
noblot möglich. Deshalb sollte bei klinischem Ver-
dacht auf eine Borrelieninfektion in jedem Fall der
liose angesehen. Bei einer neurologischen Symptoma-
Immunoblot-Borrelien angefordert werden.
tik im Verlauf der chronischen Borreliose können die-
se typischen Liquorbefunde sehr viel diskreter sein
Auf dem Überweisungsschein für das Labor sollte die
Anforderung lauten:
bzw. gänzlich fehlen. Trotz der relativ geringen Sensi-
tivität sollte immer eine PCR-Borrelien-Untersuchung
Borrelienserologie inkl. Immunoblot-Borrelien
des Liquors angefordert werden.
VD: Borreliose
Das vom RKI empfohlene und von der KV vorge-
Lymphozytentransformationstest (LTT-Borrelien)
schriebene Vorgehen, nur bei auffälligem Enzymim-
In zahlreichen Publikationen wird die Notwendigkeit
munoassay (oder anderen sog. Suchtesten) den Immu-
zellulär immunologischer Methoden für die Diagnos-
noblot als Bestätigungstest durchzuführen (sog. Stu-
tik und Verlaufsbeobachtung der Borreliose bestritten.
fendiagnostik), ist abzulehnen, da auf diese Weise bis
Seit mehr als 20 Jahren wird jedoch der LTT als Me-
6
thode zum Nachweis antigenspezifischer T-
sprechenden Laboren noch keine Daten über die Spe-
Helfergedächtniszellen, auch bei Patienten mit Borre-
zifität und Sensitivität sowie Verlaufsuntersuchungen
liose, eingesetzt. Erst kürzlich sind dazu zwei Arbei-
zur Kenntnis gegeben wurden. Es wird außerdem
ten erschienen (6, 23).
empfohlen, Paralleluntersuchungen mit Immunoblot,
Für die Notwendigkeit zellulär immunologischer Me-
ELISPOT- und LT-Test durchzuführen.
thoden im Bereich der Labordiagnostik der Borreliose
sprechen folgende Argumente:
CD57+ NK-Zellen ?
1. Die Sensitivität von Methoden zum Erregernach-
CD57+ NK-Zellen sind eine Subpopulation der NK-
weis sind für die tägliche Praxis zu gering.
Zellen. Nach (22) sind insbesondere bei Patienten mit
Neuroborreliose die CD57+ NK-Zellen im Blut signi-
2. Ein positiver serologischer Befund ist allein kein
fikant vermindert. Nach dieser Studie ist ein Anstieg
Beweis für eine aktive Borreliose, da frühe Manifesta-
dieser Zellen als Laborparameter für eine erfolgreiche
tionen spontan ausheilen oder durch antibiotische Be-
antibiotische Therapie anzusehen. Eine besondere bio-
handlungen beseitigt sein können. Sowohl IgM-, be-
logische Funktion dieser NK-Zellen für die Immun-
sonders aber IgG-Antikörper können über Jahre per-
abwehr von Borrelien ist bisher nicht bekannt.
sistieren. Andererseits ist ein negativer serologischer
Befund kein sicherer Ausschluss einer bestehenden
Eine abschließende Bewertung der CD57+ NK-Zellen
aktiven Borrelieninfektion, ganz besonders bei frühen
als Basis-Labordiagnostikum einer Borreliose kann
Manifestationen der Borreliose.
derzeit aufgrund einer unzureichenden Datenlage
nicht erfolgen.
Falls kein positives Ergebnis der Borrelien-Kultur
oder der Borrelien-PCR vorliegt, kann mit dem LTT-
3.3 Forderungen der Borreliose-Gesellschaft
Borrelien ein Hinweis dafür gewonnen werden, ob im
zur Labordiagnostik der Borreliose
konkreten Fall eine aktuell aktive Borreliose vorliegen
könnte. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein po-
Die bisher für gesetzlich Versicherte obligate Stu-
sitives Ergebnis des LTT-Borrelien zwar sehr ver-
fendiagnostik der Borrelienserologie sollte aufgege-
dächtig, aber nicht beweisend (das ist nur der positive
ben werden.
Erregernachweis) für eine aktive Borrelieninfektion
Der LTT-Borrelien sollte als Methode zum indirek-
ist. Voraussetzung für einen solchen hohen Stellen-
ten Nachweis einer aktiven Borreliose auch von ge-
wert des LTT-Borrelien ist jedoch, dass das ausfüh-
setzlichen Krankenkassen vergütet werden.
rende Labor die dafür notwendige hohe Testsensitivi-
Die Borrelien-PCR sollte in den EBM aufgenom-
tät und -spezifität gewährleistet. Der LTT-Borrelien
men werden.
ist bereits im frühen Stadium der Borrelieninfektion
(auch bei E. migrans) deutlich positiv und wird in der
Regel 4 bis 6 Wochen nach Abschluss einer erfolgrei-
Therapie der Borreliose
chen antibiotischen Behandlung negativ, zumindest
aber deutlich rückläufig sein. Die Indikationen für den
4 Antibiotische Behandlung
LTT-Borrelien sind:
Monotherapie
• Nachweis einer aktiven Borrelieninfektion bei viel-
deutiger Klinik
Zur chronischen Borreliose und deren antibiotischen
• Zur Therapiekontrolle 4 bis 6 Wochen nach Beendi-
Behandlung liegen bisher keine evidenzbasierten Stu-
gung der antibiotischen Behandlung
dien vor. Es kann lediglich auf (10, 14, 15, 16, 17)
• Zur Verlaufskontrolle bei klinischem Verdacht auf
verwiesen werden mit limitierten Behandlungsdauern
ein Rezidiv der Borrelieninfektion.
und widersprüchlichen Ergebnissen.
Von einigen Laboren werden für die Beantwortung
Die Leitlinien Innere Medizin 2007/2008, Abschnitt
dieser Fragestellungen andere Methoden zum Nach-
„Lyme-Borreliose“, führen das Krankheitsbild der
weis einer borrelienspezifischen Aktivierung von
chronischen Lyme-Borreliose mit Ausnahme der
T.Lymphozyten wie z.B. der ELISPOT-Test angebo-
chronischen Neuroborreliose nicht auf. Daraus folgt,
ten. Dabei wird die Induktion der Zytokinsynthese auf
dass jede, also auch antibiotische Behandlung der
zellulärer Ebene gemessen. (24) Der Vorteil dieses
chronischen Lyme-Borreliose einen Off-Label-Use
Testes würde darin bestehen, dass ein Untersuchungs-
darstellt, wenn diese Leitlinien zugrunde gelegt wer-
ergebnis bereits nach 2 Tagen (beim LTT sind es 6
den. Andererseits belegen zahlreiche wissenschaflti-
Tage) vorliegt. Die Borreliose-Gesellschaft kann je-
che Arbeiten die Existenz der chronischen Lyme-
doch diesen Test gegenwärtig noch nicht bewerten, da
Borreliose, siehe z. B. (1, 2, 7, 9, 8, 13, 20). Über den
ihr im Unterschied zum LTT-Borrelien, von den ent-
Off-Label-Use muss der Patient informiert werden.
7
Borreliose im Frühstadium
heimer Reaktion zu beachten. Dabei sollten Kortikoi-
Minocyclin
2 × 100 mg tägl.
de notfallmäßig (nicht prophylaktisch) parenteral in
Doxycyclin
400 mg tägl.
Abhängigkeit von der Ausprägung der Reaktion ap-
Azithromycin
500 mg tägl.
pliziert werden.
Amoxicillin
3000 mg tägl.
Cefuroxim
500 mg tägl.
Bei antibiotischer Behandlung der Lyme-Borreliose,
Clarithromycin
2 × 500 mg tägl.
insbesondere bei längeren Behandlungszeiten und
synchroner Kombinationstherapie sollte zum Schutz
Dauer: Abhängig vom klinischen Verlauf, mind. 4
der Darmflora und zur Unterstützung des Immunsys-
Wochen, bei fehlender Effizienz des Antibiotikums
tems mikrobiologisch behandelt werden (z.B. Perente-
hinsichtlich EM höchstens 2 Wochen (dann wech-
rol
250, Mutaflor, Omniflora). Bei Auftreten einer
seln)
gastrointestinalen Mykose sollte über den gesamten
Behandlungszeitraum und darüber hinaus für etwa ei-
nen Monat antimykotisch behandelt werden. Bei der
Chronische Borreliose
oralen und genitalen Mykose sollten die üblichen an-
Cefotaxim
3 × 4 g
timykotischen Medikamente zum Einsatz kommen.
Ceftriaxon
2-4 g
Benzathin-Penicillin G
1,2 Mio 2 × wöchtl.
Minocyclin
2 × 100 mg tägl.
Kombinationstherapie
Doxycyclin
400 mg tägl.
Bei der Auswahl von Antibiotika-Kombinationen zur
Azithromycin
500 mg tägl.
Behandlung einer chronischen Borreliose sollten die
Clarithromycin
2 × 500 mg tägl.
Plasmahalbwertzeit,
intrazelluläre
Wirksamkeit,
Wirksamkeit auf zystische Formen und die Liquor-
Metronidazol
1,2 g
gängigkeit beachtet werden, siehe Abschnitt 5. In der
Hydroxychloroquin
200 mg
Wirksamkeit ergänzen sich Cephalosporine der 3. Ge-
neration mit Minocyclin (liquorgängig) oder Doxy-
Dauer 3-6 Monate abhängig vom klinischen Verlauf,
cyclin, alternativ Minocyclin (oder Doxycyclin) mit
bei Unwirksamkeit Antibiotikum wechseln, frühes-
Makroliden unter gleichzeitigem Einsatz von Hydro-
tens nach 6 Wochen, spätestens nach 8 Wochen.
xychloroquin.
Metronidazol maximal 10 Tage
Metronidazol sollte möglichst für 10 Tage und zwar
zu Ende der antibiotischen Behandlung parenteral ap-
Bei Kindern und untergewichtigen Patienten sollte die
pliziert werden.
Dosis der Antibiotika gewichtsadaptiert erfolgen.
Die Behandlung mit Cephalosporinen der dritten Ge-
Betalaktame
neration ist nach einer zunächst kontinuierlichen The-
Ceftriaxon
2-4 g tägl.
Dauer:
rapie (anschließend) auch in Form der gepulsten The-
Cefotaxim
2-3 × 4 g tägl.
generell
rapie sinnvoll; dabei werden die Medikamente an drei
Tetracycline
2 bis 3
bis vier Tagen der Woche eingesetzt, Ceftriaxon 2-4g
Minocyclin
2 × 100 mg tägl.
Monate,
/ Tag, Cefotaxim 2-3 x 4 g / Tag.
Doxycyclin
400 mg tägl.
Metroni-
Makrolide
Der Einsatz von Cephalosporinen wird von einigen
dazol ≤10
Azithromycin
500 mg tägl.
Ärzten der Gesellschaft kritisch gesehen, da die Be-
Tage
Clarithromycin
2 × 500 mg tägl.
günstigung des intrazellulären Aufenthaltes von Bb
Telithromycin
400 mg tägl.
und der Zystenbildung durch Betalaktame befürchtet
Sonstige
wird (19, 18). Metronidazol und Hydroxychloroquin
Metronidazol
1,2 g tägl.
sind in vitro auf Zystenformen wirksam (3, 4, 5).
(möglichst parenteral)
Hydroxychloro-
200 mg tägl.
Wöchentliche Kontrolle von kleinem Blutbild, GPT
quin
und Kreatinin, im weiteren Verlauf alle zwei bis drei
Wochen. Bei Ceftriaxon sonographische Kontrolle der
Gallenblase alle drei Wochen, bei Makroliden EKG
alle zwei Wochen.
Bei jeder antibiotischen Behandlung der Borreliose
unabhängig vom Stadium ist die Gefahr einer Herx-
8
5 Gegen Borrelien wirksame Antibiotika
Anmerkungen
Gegen Borrelien wirksame Antibiotika unter Angabe
1 Die Zeckenbesiedlung von Wildtieren insbesondere Rat-
der Wirkdauer (Plasmahalbwertzeit), der Liquorgän-
ten und Rehe ist immens (bis zu 1.000 Zecken/Reh) und die
gigkeit, der intrazellulären Wirkung und der Wirkung
Gefahr besteht beim Berühren toter Tiere (Jäger beim aus
auf zystische Formen. Liquorgängigkeit: Liquor / Se-
der Decke Schlagen!) durch das Überlaufen vom Tier auf
rum-Konzentration in Prozent:
den Menschen von z.B. kleinen Nymphen, die kaum gese-
hen werden können. Dasselbe gilt für Haustiere, die drau-
ßen frei herumlaufen dürfen und mit denen geschmust wird
(Kinder!). Jeder Aufenthalt „im Grünen“ birgt Kontaktrisi-
ken, besonders aber bei Graswuchs und Büschen.
2 Die häufigste Infektion erfolgt durch die 8-beinigen, im
ungesogenen Zustand
1,2-2mm großen durchsichtigen
Antibiotikum
Nymphen, am zweithäufigsten durch die erwachsenen
(adulten) Weibchen mit rotem Hinterleib (Männchen sind
ganz schwarz durch ihren Körperbedeckenden Chitinpan-
zer)
Betalactame
3 Ein Erythema migrans (EM) d.h. wandernde Rötung wird
oft auch Wanderröte genannt, da es sich typischerweise mit
Ceftriaxon
-
17%
-
8 Std
der Zeit im Durchmesser vergrößert und im Zentrum ab-
Cefotaxim
-
+
-
1 Std
blasst, aber es wird so nur bei 40-60 % aller Borreliose-
Patienten beobachtet (12). Auch kann seine Form stark va-
Cefuroxim-Axetil
-
-
-
1 Std
riieren je nach dem Ort des EM. So ist es am Haaransatz,
(Benzylpenicillin,
-
+
-
40 Min
zwischen den Zehen, unter der Achsel oder in der Leiste
Penicillin G)
meist nicht kreisrund. Das Erythem oder der wandernde
(Benzathin-
-
+
-
3 Tage
Randsaum können livide verfärbt sein oder auch so blass,
Penicillin G)
dass sie kaum sichtbar sind. Ein umschriebenes, stärker ge-
(Phenoxymethylpe-
-
-
-
30 Min
rötetes Knötchen
(„Zeckenstichlymphozytom“) kann im
nicillin)
Zentrum des anulären Erythemrings verbleiben. Gelegent-
Amoxicillin
-
-
-
1 Std
lich wurden hier auch Bläschen oder eine kleine Nekrose
beobachtet. Brennschmerz oder Juckreiz können Vorzei-
Imipenem
-
-
-
1 Std
chen eines sich entwickelnden EM sein. Die Rötung kann
aber auch die einzige für den Patienten wahrnehmbare Lo-
Tetracycline
kalreaktion darstellen.
Ein Borrelien-Lymphozytom kann sich statt eines EM,
Doxycyclin
+
(14%)
-
15 Std
aber
auch im Zusammenhang mit diesem oder einer
Minocyclin
+
40%
-
15 Std
Acrodermatitis chronica atrophicans entwickeln. Es besteht
aus einer knotigen Ansammlung von Lymphozyten in ei-
nem weichem Gewebe wie z.B. dem Ohrläppchen bei Kin-
Makrolide
dern (sehr typisch), der Mamille oder dem Hodensack, aber
auch an anderen Körperstellen wie den Oberschenkelinnen-
Clarithromycin
+
-
-
4 Std
seiten oder am Nacken wurde es schon festgestellt.
2-5%
Azithromycin
+
-
-
68 Std
4 Typischerweise tritt innerhalb von 10-14 Tagen nach der
Gewebs-
erfolgten Borrelieninfektion eine sogenanntes „Borreliose-
Grippe“ auf mit allen Symptomen eine Grippe außer der
halb-
üblichen Infektzeichen wie Rhinitis oder Husten. Fieber
wertzeit
kann, muss aber nicht mit dabei sein. Meist besteht ein dif-
Telithromycin
+
-
-
2-3 Std
fuses Krankheitsgefühl mit beeinträchtigtem Allgemeinbe-
Roxithromycin
+
-
-
10 Std
finden, ohne dass eine Krankheit richtig fassbar wird. Auch
(n. Gasser (3))
Darmsymptome sind nicht selten und werden dann als
Sommerdarmgrippe diagnostiziert, ohne dass der Zusam-
Gyrase-Hemmer
menhang zur Borrelieninfektion hergestellt wird. Dies gilt
vor allem für die Fälle, die kein EM entwickeln. Ab dem
Zeitpunkt der Borrelieninfektion werden auch Impfungen,
Gemifloxacin5
+
20%
-
>12 Std
Narkosen oder banale Infekte deutlich schlechter vertragen
Metronidazol
+
+
+
5 Von den Chinolonen kommt lediglich Gemifloxacin in
Hydroxychloroquin
+
+
+
Betracht. Allerdings ist es in Deutschland nicht zugelassen,
jedoch importierbar. Auch in den USA ist die die Substanz
nicht für die Behandlung der Borreliose zugelassen.
9
gebiet. Antikörperprävalenz und klinisches Spektrum.
Literatur
Dtsch med Wschr 117 (1992) 767-774.
(1) E Aberer, F Koszik, M Silberer. Why is chronic lyme
(13) RA Kalish, RF Kaplan, E Taylor, L Jones-Woodward, K
borreliosis chronic? Clin.Inf. Dis. 25 Suppl. 1 (1997)
Workman, AC Steere. Evaluation of study patients with
64-70.
Lyme disease,
10-20-year follow-up. J. Infect. Dis.
2001, 183: 453-460.
(2) ES Asch, DI Bujak, M Weiss, MG Peterson, A Wein-
stein. Lyme disease: an infectious and postinfectious
(14) RF Kaplan, RP Trevino, GM Johnson, L Levy, R Dorn-
syndrome. J Rheumatol. 1994 (3):454-61.
bush, LT Hu, J Evans, A Weinstein, CH Schmid, MS
Klempner MS, Cognitive function in post-treatment
(3) Ø Brorson, SH Brorson. An in vitro study of the sus-
Lyme disease: do additional antibiotics help? Neurol-
ceptibility of mobile and cystic forms of Borrelia
ogy. 2003 Jun 24;60(12):1916-22.
burgdorferi to metronidazole. APMIS.
1999 Jun;
107(6):566-76.
(15) MS Klempner, LT Hu, J Evans, CH Schmid, GM John-
son, RP Trevino, D Norton, L Levy, D Wall, J McCall,
(4) Ø Brorson, SH Brorson. An in vitro study of the sus-
M Kosinski, A Weinstein. Two controlled trials of anti-
ceptibility of mobile and cystic forms of Borrelia
biotic treatment in patients with persistent symptoms
burgdorferi to hydroxychloroquine. Int Microbiol. 2002
and a history of Lyme disease. N Engl J Med. 345(2)
Mar; 5(1):25-31.
(2001) 85-92.
(5) Ø Brorson, SH Brorson. An in vitro study of the sus-
(16) LB Krupp, LG Hyman, R Grimson, PK Coyle, P Mel-
ceptibility of mobile and cystic forms of Borrelia
ville, S Ahnn, R Dattwyler, B Chandler. Study and
burgdorferi to tinidazole. Int Microbiol.
2004 Jun;
treatment of post Lyme disease (STOP-LD): a random-
7(2):139-42.
ized double masked clinical trial. Neurology. 2003 Jun
24; 60(12):1923-30.
(6) V von Baehr, Ch Liebenthal, B Gaida, F-P Schmidt, R
(17) EL Logigian, RF Kaplan, AC Steere. Successful treat-
von Baehr, H-D Volk. Untersuchungen zur diagnosti-
schen Wertigkeit des Lymphozytentransformationstes-
ment of Lyme encephalopathy with intravenous ceftri-
axone. J Infect Dis. (1999);180(2):377-83.
tes bei Patienten mit Borreliose. J Lab Med
31(3)
(2007)149-158.
(18) LH Mattman. Cell Wall Deficient Forms: Stealth patho-
gens. CRC Press Inc 3rd ed. (2000)
(7) B Binder, H Kerl und RR Müllegger. Differentialdiag-
nose der Acrodermatitis chronica atrophicans unter be-
(19) V Preac-Mursic, G Wanner, S Reinhardt, U. Busch, W.
sonderer Berücksichtigung der chronisch-venösen Insuf-
Maget. Formation and cultivation of Borrelia burgdor-
fizienz; Phlebologie 6 (2004) 191-198.
feri spheroplast-L-form variants. Infection
24 (1996)
218-226.
(8) R Dinser, M Jendro, S Schnarr, and H Zeidler. Antibi-
otic treatment of Lyme borreliosis: what is the evi-
(20) V Preac-Mursic, K Weber, HW Pfister, B Wilske, B
dence? Ann Rheum Dis. 64(4) (2005)519-523.
Gross, A Baumann, J Prokop. Survival of Borrelia
burgdorferi in antibiotically treated patients with Lyme
(9) S Donta. Late and chronic lyme disease. Medical Clin-
borreliosis. Infection 17(6) (1989) 355-9.
ics of North America 86(2) (2002) 341-349.
(21) J Rubel. Lyme disease, symptoms and characteristics: a
(10) BA Fallon, JG Keilp, KM Corbera KM, E Petkova, CB
compilation of peer-reviewed literature reports. (2006)
Britton, E Dwyer, I Slavov, J Cheng, J Dobkin, DR Nel-
http://www.lymeinfo.net/medical/LDSymptoms.pdf
son, HA Sackeim. A randomized, placebo-controlled
trial of repeated IV antibiotic therapy for Lyme en-
(22) RB Stricker, EE Winger. Decreased CD57 lymphocyte
cephalopathy. Neurology.
2008 Mar
25;70(13):992-
subset in patients with chronic Lyme disease. Immunol
1003.
Lett.76(1) (2001) 43-8.
(11) V Fingerle, B Wilske. Abschlußbericht zur im Jahr 2004
(23) E Valentine-Thona, K Ilsemann, M Sandkamp.. A
durchgeführten Studie “Epidemiologische Aspekte ze-
novel lymphocyte transformation test (LTT-MELISA®)
ckenübertragener Erkrankungen in Bayern: Lyme-
for Lyme borreliosis. Diagnostic Microbiology and In-
Borreliose” im Rahmen der
“Gesundheitsinitiative:
fectious Disease, Volume 57, Issue 1 (2006) 27-34
Bayern aktiv”. Bayerisches Staatsministerium für Um-
welt, Gesundheit und Verbraucherschutz, München
(24) M Widhe, S Jarefors, C Ekerfelt, M.Vrethem, S
Dez. (2005) http://www.stmugv.bayern.de/gesundheit/
Bergstrom, P Forsberg, J Ernerudh. Borrelia-specific In-
vorsorge/doc/borreliose.pdf
terferon-gamma and Interleukin-4 Secretion in Cerebro-
spinal Fluid and Blood during Lyme Borreliosis in Hu-
(12) D Hassler, I Zöller, M Haude, HD Hufnagel, HG Sonn-
mans: Association with Clinical Outcome, The Journal
tag. Lyme-Borreliose in einem europäischen Endemie-
of Infectious Diseases 189 (2004) 1881-91.
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe
Prof. Dr. med. Rüdiger von Baehr
FA für Innere Medizin
Institut für medizinische Diagnostik, Berlin
PD Dr. med. Walter Berghoff
FA für Innere Medizin, Rheinbach
Dr. med. Harald Bennefeld
FA für Neurochirurgie, Sportmedizin, Heinrich Mann Klinik Bad Liebenstein
Hans-Peter Gabel
FA für Allgemeinmedizin, Wolfenbüttel
Prof. Dr. med. Fred Hartmann
FA für Innere Medizin, Chefarzt a. D., Ansbach
Dr. med. Wolfgang Heesch
FA für Innere Medizin, Vellmar
Dr. med. Gabriele Herrmann
FÄ für Orthopädie, Berlin
Dr. med. Petra Hopf-Seidel
FÄ für Neurolgie und Psychiatrie sowie
FÄ für Allgemeinmedizin, Ansbach
Dr. med. Bernd-Dieter Huismans
FA für Innere Medizin, Umweltmedizin, Crailsheim
Dr. med. Wolfgang Klemann
FA für Innere Medizin, Pforzheim
Dr. med. Uwe Neubert
FA für Dermatologie, Dermatologische Klinik LMU München, Akad. Direktor i. R.
Dr. med. Andrea Roczinski
FÄ für Allgemeinmedizin, Königslutter
Dr. med. Armin Schwarzbach
FA für Laboratoriumsmedizin, Augsburg
Dr. med. Barbara Weitkus
FÄ für Kinderheilkunde, Berlin
Cord Uebermuth
FA für Augenheilkunde, Düsseldorf
Dr. med. Jochen Viebahn
FA für Allgemeinmedizin, Gummersbach
Dr. med. Peter Voss
FA für Allgemeinmedizin, Ulm
11
Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose
Inhalt
Diagnostik der Borreliose
1 Die tägliche Praxis
1
2 Symptomatik der Lyme-Borreliose
2
2.1 Symptome der Lyme-Borreliose im Frühstadium
2.2 Symptome der chronischen Lyme-Borreliose
3 Labordiagnostik
4
3.1 Direkte Nachweisverfahren
3.2 Indirekte immunologische Nachweisverfahren
Therapie der Borreliose
4 Antibiotische Behandlung
6
4.1 Monotherapie
4.2 Kombinationstherapie
5 Gegen Borrelien wirksame Antibiotika
8
Literatur
www.borreliose-gesellschaft.de
Mai 2008