Therapie der persistierenden Borreliose mit intrazellulär wirkenden Antibotika

Verlaufsbeobachtung aus den Jahren 2004-2006 (Vortrag gehalten am 24.3.2007 auf der Jahrestagung der Borreliose-Gesellschaft in Berlin-Rahnsdorf)

In der vorliegenden Katamnese berichte ich Ihnen über 210 Behandlungscyclen von insgesamt 160 Patienten, die an chronischer bzw. persistierender Borreliose erkrankt sind und die ich von Januar 2004 bis Dezember 2006 betreut habe. Einschlusskriterium in diese katamnestische Studie war, dass die Borrelieninfektion der Patienten noch aktiv war, was an einem positiven Borrelien-Lymphhocytentransformationstest (LTT) (für 1-3 Borrelien-Antigene zeigte sich ein Stimulationsindex (SI) von > 3,0) festgemacht wurde. Außerdem hatten alle Patienten klinische Symptome, die mit einer persistierenden Borreliose vereinbar waren.

Die Behandlung erfolgte überwiegend mit intrazellulär wirkenden Antibiotika, deren Therapieerfolg gemessen wurde an der jeweiligen Verbesserung des Borrelien-Lymphocytentransformationstestes (LTT)-ganz unabhängig von der parallel ebenfalls zu beobachtenden klinischen Verbesserung, auf die hier bewusst nicht eingegangen werden soll.

Im ersten Teil des Vortrages möchte ich berichten von den serologischen Befunden und deren Häufigkeitsverteilung, woraus sich Rückschlüsse ziehen lassen über die Zuverlässigkeit des derzeit üblichen diagnostischen Zweistufen-Screeningprogrammes.

Im zweiten Teil des Vortrages werde ich dann eingehen auf die antibiotische Behandlung meiner Patienten, die meist seit vielen Jahren schon unter ihrer persistierender Borreliose gelitten haben,

und aufzeigen, wie sich unter der Behandlung ihre BorrelienLTT-Werte verändert haben, wobei eine LTT-Verbesserung meist auch ein Indikator für die Verbesserung der klinischen Verfassung war. Die Wirksamkeit der einzelnen Antibiotikagruppen nach ihrem Angriffsort (intrazellulär versus Zellwandsynthesehemmung) wird dargestellt.

Patientenzusammensetzung: Die 160 Patienten setzten sich zusammen aus 60% weiblichen und 40 % männlichen Personen, die zwischen 4 Jahren und 85 Jahren alt waren.

45 % der Patienten waren zwischen 41 und 55 Jahren alt und 90% waren insgesamt älter als 40 Jahre. Nur ca. 10 % waren jünger als 40 Jahre, d.h. die Altersverteilung in unserer Praxis zeigt, dass offenbar überwiegend Menschen ab der Mitte ihres Lebens von der persistierenden Form der Borreliose betroffen sind.

Altersverteilung
50%
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
bis 10 11-25 26-40 41-55 56-65 > 66
Jahre

Infektionszeitpunkt:

Definitionsgemäß wird von uns eine chronische Verlaufsform angenommen, wenn der Infektionszeitpunkt länger als 12 Monate zurückliegt, aber immer noch Borrelien-bedingte Symptome bestehen (mit oder ohne vorausgegangene antibiotische Therapie).

Bei 90% unserer Patienten lag der Zeitpunkt der erinnerten Borrelien-Erstinfektion länger als 12 Monate zurück, bei der Mehrzahl der Fälle zwischen 3 und 15 Jahren. Aber es gab auch Patienten, deren Infektion über 50 Jahre zurücklag und die trotzdem noch erfolgreich behandelbar waren.

Die 10 % unserer Patienten, die noch nicht im chronischen Stadium der Erkrankung waren, dienten als Kontrollgruppe sowohl was die serologischen Parameter betrafen als auch das Ansprechen auf die verschiedenen Antibiotikagruppen.

Infektionsmodus:

160 Patienten konnten Angaben zur (Erst)infektion machen. Dabei ergaben sich folgende Resultate: 62 % hatten eine festgesogene Zecke an sich beobachteten, aber 32% hatten weder eine Zecke noch ein anderes Insekt an sich beobachtet. 6% waren sogar überzeugt, dass ein anderes Insekt wie z.B. Pferdebremsen, Stechfliegen, Flöhe und einmal sogar eine Schmetterlingsart („Taubenschwänzchen“) sie gestochen habe !! An der Einstichstelle beobachteten diese danach eine Hautveränderung, die auch kein typisches Erythema migrans war, sondern häufiger als eine juckende Stichstelle mit nachfolgender großflächiger Schwellung meist an einem der Unterschenkel beschrieben wurde.

Infektion durch Zecken oder andere Insekten
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
nein ja anderes Insekt

Ein typisches Erythema migrans (EM) haben nur 34 % aller unserer später an Borreliose Erkrankten bemerkt, während 44% kein EM und 22% ein atypisches EM an sich beobachteten (d.h. 66% oder 2/3 der Borreliosekranken hatten kein typisches EM).

Erythema migrans

50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%

typisches EM kein atypisch

Um dies nochmals etwas übersichtlicher darzustellen, werden die anamnestischen Angaben zu den Borrelien-Vektoren und die sich ergebenden Hautveränderungen noch einmal in einer 3-D-Grafik dargestellt.

Serologische Befunde

Neben der klinischen Beurteilung des Krankheitsstadiums entsprechend dem erinnerten Infektionszeitpunkt und den bestehenden klinischen Symptomen wurde auch versucht, bei jedem Patienten eine umfassende serologische „Standortbestimmung“ durchzuführen. Diese umfasste neben der Erfassung der Borrelien-IgM-und IgG-Antikörpern (AK) auch die spezifischen IgM-und IgG-Banden des Western/Immunoblots sowie den Borrelien-LTT-Wert und

-soweit möglich-auch die Erfassung der zellulären Immunität durch Bestimmung des CD-57+-NK (neutrale Killerzellen)-Wertes. Vereinzelt lagen auch noch PCR-Werte oder Liquor-Untersuchungsergebnisse vor, die die Diagnose einer persistierenden Borreliose stützten.

Die CD 57+-NK-Zellwerte lagen aber leider nur für 87 Patienten vor der Therapie vor und verteilten sich ca. hälftig auf normale (60-360/µl) und auf erniedrigte Werte (<60/µl bzw. < 10/µl).

Durch die antibiotische Therapie können sich die CD-57+-Werte normalisieren, was auch bei uns in ca. 50 % der Fälle beobachtbar war. Da aber die Fallzahl (19) dafür nur sehr klein war, ist diese Aussage statistisch nicht abgesichert.

Bei einer chronischen Borrelien-Infektion wurden von einigen Untersuchern (Stricker u.a.) häufiger erniedrigte CD-57+-Werte gefunden, ohne dass dies aber für eine chronische Borreliose als typisch gelten dürfe, denn auch andere chronische, meist virale Erkrankungen gehen mit erniedrigten CD 57+-Werten einher.

Serologische Ergebnisse:

Die serologischen Untersuchungsergebnisse zeigen, dass bei rund 30 % der Patienten weder IgM-noch IgG-Antikörper (AK) im Screeningtest (ELISA, IFT, EIA) positiv waren. Für diese Patienten wäre entsprechend dem derzeit gültigen diagnostischen Stufenprogramm die Suche nach einer Borrelieninfektion also beendet worden!

Die nächste diagnostische Stufe, der Western -oder Immunoblot, ergab bei 17% meiner Patienten ein völlig negatives Ergebnis. Dies bedeutet ebenfalls eine relativ große Dunkelziffer, wollte man sich allein auf diesen Zweistufentest der Diagnostik verlassen, der allerdings seit 2001 die KV-Vorgabe für alle Kassenärzte darstellt und der seinerseits wieder auf Vorgaben der IDSA (Infectious Diseases Society of America) beruht. Nur 17 % unserer Patienten wiesen einen negativen Immuno/Westernblot auf, aber 30 % hatten keine IgM-und IgG-Antikörper, was belegt, daß der weniger empfindliche Suchtest „Borrelien-Antikörper“ zu Unrecht an erster Stelle im Screeningprogramm steht. Denn auch nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz von 2% der Patienten hatte positive Borrelien-AK, aber negative Westernblot-Ergebnisse,

was ebenfalls die höhere Sensitivität des Immuno/Westernblot anzeigt.

Vollends überraschend war bei der Auswertung der Daten dann die Feststellung, dass es Patienten im chronischen Stadium gibt, die weder einen IgM-oder IgG-AK positiv haben noch einen der Westernblot-Werte (ca. 9 % aller Patienten unseres Klientel). Nur der Borrelien-LTT war bei diesen symptomatischen Patienten positiv und belegte die zuvor erfolgte Borrelien-Infektion.

Diese Patientengruppe existiert nach den Leitlinien (Guidelines) der IDSA (Stand 19/06) aber überhaupt nicht, denn dieser mächtige amerikanische Meinungsbildner bestreitet kategorisch die Existenz von seronegativen chronischen Borreliose-Patienten!

Deshalb muß m.E. bei entsprechender Anamnese und bei einer auf eine chronische Borreliose hinweisenden klinischen Symptomatik immer gerade dann ein Borrelien-LTT durchgeführt werden, wenn die IgM-und IgG-AK oder die IgM-und IgG-Immuno/Westernblots negativ geblieben sind.

Nichterfaßte Borreliosekranke beim derzeitigen diagn.Stufenprogramm

bezogen auf 169 pos LTT 18% 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% AK neg, Westernblot neg AK pos, Westernblot neg AK neg, Westernblot pos

Getrennte Erfassung der AK-Entwicklung:

Die erfassten Laborwerte wurden getrennt aufgelistet für Patienten, die sich in einem frühen Stadium der Erkrankung befanden (Infektionszeitpunkt vor weniger als 12 Monaten), und für die in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium (Infektion vor > 1 Jahr), die 90% unseres Klientels ausmachten.

Im frühen Krankheitsstadium findet sich ein leichtes Überwiegen der IgM-AK mit knapp 60 %, was aber nicht so ausgeprägt war, wie es theoretisch zu erwarten wäre. Denn normalerweise reagiert ja das humorale Immunsystem zuerst mit einer IgM-AKund danach erst mit einer IgG-AK-Antwort.

In unserem Klientel jedenfalls überwog bereits in den ersten 12 Monaten eine IgG-AK-Antwort trotz klinisch weiter bestehender deutlicher Krankheitsaktivität.

Der häufig gebrauchte Begriff einer „serologischen Narbe“ für eine derartige serologische Konstellation (IgG-AK vorhanden, aber keine IgM-AK) lässt deshalb erhebliche Zweifel darüber aufkommen, ob dies ein wirklich nicht behandlungsbedürftiges Krankheitsstadium widerspiegelt.

Noch klarer wird das Bild unter Einbeziehung der Westernblotergebnisse. Im frühen Stadium werden fast genauso häufig spezifische Banden im IgM-Westernblot gefunden wie sie nicht nachweisbar sind!

Aber wie auch bei den AK zeigen sich bereits im frühen Stadium bei 80 % aller Fälle spezifische IgG-Banden im Westernblot, die aber auch hier keineswegs „serologischen Narben“ entsprechen, sondern bei behandlungsbedürftigen Borreliosekranken gefunden werden.

Werden nun diesen Ergebnissen der frühen Erkrankungsphase die serologischen Ergebnisse der späten Phase gegenübergestellt, so sieht man eine ähnliche Konstellation.

Es überwiegen zwar im chronischen Stadium die IgG-AK, aber nur mit ca. 60% und IgM-AK bestehen immerhin noch bei ca. 35 % der Patienten fort. Für das chronische Stadium sind die AK allein also kein zuverlässiger Laborparameter und sollten nicht als Grundlage für die Entscheidung über eine Therapienotwendigkeit herangezogen werden.

Die Westernblotergebnisse sind-wie in der frühen Phase-eindeutiger für den IgG-Westernblot, der zu 70% spezifische Ban-den aufweist gegenüber dem IgM-Westernblot, der nur in ca.40 % der Fälle positiv, d.h. mit spezifischen Banden nachweisbar ist. Sollte also nicht die Möglichkeit bestehen, einen Borrelien-LTT durchführen zu lassen-denn es gibt in Deutschland m.W. derzeit nur 6 darauf spezialisierte Laboratorien-wäre als hochspezifischer Laborwert für eine erfolgte Borrelien-Infektion in erster Linie ein Western/Immuno-Blot-IgG-Wert heranzuziehen.

IgM-Westernblot (chronisches Stadium)

80% 60% 40% 20% 0%

IgG-Westernblot (chronisches Stadium)

80% 60% 40% 20% 0%

Zusammenfassend ergibt die Auswertung der serologischen Befunde unserer klinisch kranken Patienten, dass der sicherste Parameter für eine behandlungsbedürftige Borrelieninfektion der IgG-Westernblot ist, der im frühen wie im späten Stadium zu ca. 75% spezifische Banden aufweist.

Das Unwort einer „serologischen Narbe“ bzw. „ Z.n. Borrelieninfektion ohne Therapienotwendigkeit“ bei Vorliegen von überwiegend IgG-AK oder IgG-Blot-Ergebnissen sollte deshalb aus dem Vokabular aller verantwortungsbewussten Ärzte verschwinden, denn es kann aufgrund dieser Fehldeutung der Befunde eine adäquate antibiotische Behandlung der Borreliose-Kranken verhindern!

Abschließend sollen noch einmal die bunte Vielfalt möglicher

serologischer Befunde bei sicher mit Borrelien Infizierten (mit positivem Borrelien-LTT) im Früh-und Spätstadium dargestellt werden, wobei die häufigsten Konstellationen rot sind. Diese Grafik soll lediglich aufzeigen, dass fast jede Kombination serologischer Befunde möglich ist und es kaum eine Kombination zu geben scheint, die für eine aktive und behandlungsbedürftige Borreliose typisch ist.

25% 20% 15% 10% 5% 0%

Die Therapie der persistierenden Borreliose

Vor Beginn einer antibiotischen Behandlung sollte immer erst das Krankheitsstadium, in dem sich der Patient befindet, definiert werden. Denn die Auswahl des Antibiotikums (AB) sollte sich möglichst danach richten.

Der sicherste Laborparameter für die Überprüfung der Krankheitsaktivität ist meiner Erfahrung nach der Borrelien-Lymphocytentransformationstest (LTT), während die Antikörper und der Immuno/Westernblot nur die stattgefundene Infektion nachweisen können. Dieser Borrelien-LTT ermöglicht dann in Kombination mit der Anamnese die Zuordnung zu einem Krankheitsstadium.

So sollte unterschieden werden zwischen einer frühen Infektionsphase (innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten nach der Infektion) und dem chronischen Stadium mit seinen vielfältigen klinischen Symptomen sowie einem Schub bei persistierender Borreliose (wenn der LTT wieder pos. geworden ist, nachdem er vorher nach einer antibiotischen Therapie negativ geworden war).

Hohe Stimulationsindices (SI > 10) im LTT korrelieren mit einer starken Krankheitsaktivität oder einem sehr frühen Krankheitsstadium (wie z.B. beim Erythema migrans). Auch Kinder mit ihrem „jungen Immunsystem“ haben oft sehr hohe SI-Werte.

Stimulationsindices zwischen 3 und 10 treten in der Regel bei der chronischen bzw. persistierenden Borreliose auf.

Bei unserer Untersuchung über die Effektivität der Therapie mit intrazellulär wirkenden Antibiotika wurden die jeweiligen Veränderungen der LTT-SI nach der antibiotischen Therapie mit denen vor Therapiebeginn verglichen, wobei als Ausgangswert immer ein SI > 3,0 für 1 bis 2 Antigene vorgelegen haben mußte.

Die Beurteilung der jeweiligen LTT-Intensität erfolgte dabei nach folgender Definition:

Borrelien-Lymphocytentransformationstest (LTT)

LTT-Borrelien negativ = 0, wenn für kein Antigen ein Stimulationsindex ( SI) > 3,0 erreicht wird
LTT-Borrelien schwach positiv = 1, wenn SI > 3,0 und < 10 für 1 oder 2 Antigene erreicht wird
LTT-Borrelien positiv = 2, wenn SI > 3,0 und < 10 für 3 oder mehr Antigene erreicht wird
LTT-Borrelien stark positiv = 3, wenn SI > 10,0 für 1 oder mehr Antigene erreicht wird

Bei der Beurteilung der erreichten Verbesserungen durch die verschiedenen Antibiotika wurde die relative Änderung der LTT-Ergebnisse zu Grunde gelegt. So bedeutet z.B. eine relative Verbesserung um 3 einen Rückgang der LTT-Aktivität von SI-Werten von > 10 auf SI-Werte von < 3,0 für alle 3 Borrelien-Antigene. Dadurch konnten die einzelnen Antibiotika in ihrer Wirksamkeit abgebildet werden. Die LTT-Kontrolle erfolgte frühestens 2 Wochen nach dem Ende der Antibiose, in der Regel aber zwischen 4-6 Wochen danach.

Antibiotika-Gruppen

Die verwendeten Antibiotika wurden nach Gruppen sortiert entsprechend ihrer Wirkungsweise. Denn für das frühe Infektionsstadium und während eines Krankheits-Schubes mit hohen SI-Werten empfiehlt sich ein bakterizides, die Zellwandsynthesehemmendes Antibiotikum zu verwenden, da angenommen werden darf, dass zu diesem Zeitpunkt noch vermehrungsfähige Borrelien in der Blutbahn anzutreffen sind.

Für alle chronische Formen der Erkrankung jedoch bewähren sich meiner Erfahrung nach die intrazellulär wirkenden Antibiotika, die die Fähigkeit haben, die Persisterformen (z.B.coccoide Morphotypen oder L-Formen und Blebs) der Borrelien auch in den bradytrophen Geweben zu erreichen und (dosisabhängig) auch im ZNS.

Zur Wirkungsverstärkung der intrazellulär wirkenden Makrolide wurde entsprechend dem Gasser-Schema gelegentlich Trimethoprim (Gruppe 5) oder häufiger entsprechend den Empfehlungen von Prof. Donta das Quensyl (= Hydroxychloroquin) (Gruppe 6) eingesetzt, das über eine intrazelluläre Alkalisierung eine intensivere antibiotische Wirkung des verwendeten Makrolids ermöglicht.

Verordnete Antibiotika

1=Erythro-,Azithro-,Roxithround Clarithromycin,Doxyund Tetracyclin 2 = Ciprobay,Tarivid,Avalox, Metronidazol 3 = Penicillin,Amoxicillin, Ampicillin, Cefotaxim, Ceftriaxon,Cefaclor, Cefuroximaxetil,Claforan 4 = Amoxicillin+ Probenecid 5 = Clarithro-/Roxithromcyin

+ Trimethoprim 6 =Clarithro-/Roxithromycin+ Quensyl(Hydroxychloroquin)

Bei Schüben mit deutlich positivem Borrelien-LTT oder in der Frühphase der Erkrankung wurde häufig auch das Amoxicillin in Kombination mit Probenecid eingesetzt, was sehr gut verträglich

(v.a. für Kinder) und auch sehr effektiv ist. Das Probenecid hemmt die renale Ausscheidung von Amoxicillin und erhöht so den wirksamen Blutspiegel des Antibiotikums, ohne dass man das Amoxicillin zu hoch dosieren muß (z.B.2000 mg/die statt 3000 mg /die).

Die folgende Übersicht zeigt die Verteilung der verordneten Antibiotika, die sich zu etwa 2/3 aus intrazellulär wirkenden AB und zu ca. 1/3 aus den Zellwandsynthesehemmern (den Beta-Laktamen) zusammensetzten.

Das erste Diagramm zeigt die antibiotische Behandlung der frühen Infektionsphase mit besten Ergebnissen bei Verordnung von Amoxicillin und Probenecid (Gruppe 4) sowie den AB des Gasser-Schemas, nämlich Roxi-/Clarithromycin in der Kombination mit Trimethoprim. Diese AB konnten bei 100% der

Fälle im Frühstadium eine Verbesserung um 2 LTT-Stufen erreichen. Weniger wirksam war die alleinige Verordnung von Amoxicillin oder von Cefuroximaxetil. Auch wenn in diese Gruppe das Cefotaxim (Claforan) und Ceftriaxon (Rocephin) gehört, wurde es von mir gar nicht verordnet aus Gründen, die ich später noch näher darlegen werde.

Interessant ist in diesem Diagramm auch noch die Tatsache, dass nach Verordnung von AB der Gruppe 1 (z.B. Doxycyclin, Tetracyclin oder Clarithromycin) sich bei ca. 60 % gar keine Veränderung im LTT ergab, sodaß anzunehmen ist, dass mit diesen AB im frühen Krankheitsstadium keine Erregerreduzierung stattfinden kann, weil diese AB intrazellulär wirken und nicht auf die sich noch teilenden Bakterien in ihrer Spirochätenform.

Die LTT-Stufen bedeuten-wie bereits gesagt-die Abnahme von vorher deutlich pathologischen LTT-Werten auf negative oder nur noch schwach positiveWerte. So erzielte z.B. die AB-Gruppe 4 bei 100 % der Fälle eine Reduktion um 2 LTT-Stufen, z.B. von SI-Werten für 1-3 Antigene von >10 auf SI-Werte für max. 2 Antigene auf > 3,0 SI.

Das nächste Diagramm zeigt die Erfolge der antibiotischen Therapie des chronischen Stadiums mit den angegebenen AB-Gruppen. Normalerweise dauerte jeder Makrolid-Behandlungscyclus 32 Tage, wobei die ersten 4 Tage nur ½ Dosis gegeben wurde zur langsamen Eindosierung und nach 10 Tagen erst erfolgte die Ergänzung mit dem Hydroxychoroquin (Quensyl). Dadurch konnten heftigere Herxheimerreaktionen vermieden werden, obwohl die Patienten oft jede Steigerungsstufe anhand

von leichteren Intensivierungsreaktionen bei sich registriert haben.

Es ist noch anzumerken, dass Gruppe 2 (Chinolone) in meinem Klientel nur bei einer Borrreliose mit Co-Infektionen (z.B. Yersinien, Chlamydien) zum Einsatz kam und auch Metronidazol nur ganz vereinzelt als 10-tägige Nachbehandlung nach Abschluß eines antibiotischen Cyclus. Dies wurde jedoch gar nicht mehr verordnet, nachdem neuere Forschungen gezeigt haben, dass es intrazellulär erheblich weniger wirksam ist als das Hydroychloroquin.

Die genaue Auswertung der 210 Behandlungsyclen zeigte, daß eine hervorragende Wirksamkeit für die AB-Gruppe 5 und 6 sich ergab, die aus den Kombinationen von Clarithromycin/Roxithromycin mit TMP oder Quensyl sich zusammensetzten. Von mir wurde aber wegen seiner guten Verträglichkeit überwiegend das Clarithromycin + Quensyl verordnet, wobei das Quensyl als Wirkungsverstärker für nur 15 Tage pro Behandlungscyclus eingesetzt wurde.

Aber auch die Gruppe 1, also die Makrolide oder Tetra-bzw. Doxycyclin allein zeigte eine gute Wirksamkeit mit Reduzierung der LTT-Stufen um 2 in ca.50% der Fälle.

Insgesamt konnten durch diese stadiengerechte antibiotische Therapie 45 % aller Fälle um 2 LTT-Stufen und weitere 28 % um jeweils 1 LTT-Stufe gebessert werden, was klinisch ebenfalls mit einer wesentliche Besserung des Zustandes korrelierte. Anders ausgedrückt profitierten fast 75 % aller chronisch kranken Borreliose-Patienten von dieser neuen Behandlungsstrategie .

Nur bei < 20 % ergab der erste Behandlungscyclus keine erkennbare Verbesserung, sodaß sich weitere mit anderen AB-Kombinationen anschliessen mussten. Vereinzelt kam es sogar unter der Therapie zu LTT-Verstärkungen, meist im Rahmen eines Schubes.

Eine weitere wichtige Information ergab sich bei der Auswertung der Anamnesen. Denn immerhin 75% aller chronisch kranken Patienten gab an, bereits antibiotisch vorbehandelt worden zu sein mit den dafür empfohlenen Antibiotika. Berichtet wurde von 2-3 wöchigen intravenösen Therapiecyclen mit Rocephin oder Claforan, von 21-tägigen Therapien mit Doxycyclin oder Amoxicillin und anderen Penicillinderivaten, manchmal auch mehrmals. Trotz dieser oft schon im Frühstadium erfolgten Therapien wurde offenbar keine Ausheilung erreicht und die Borreliose ging trotzdem in das persistierende Stadium über.

Wie ich bereits erwähnte, verordnete ich in den letzten 2 Jahren in meiner Praxis weder Rocephin noch Claforan aus folgenden mir wichtigen Gründen:

1, Patienten mit persistierender Borreliose haben nur wenige sich teilende Spirocheten im Blut/Liquor, sondern überwiegend intrazellulär liegende Borrelienformen. Deshalb ist weder Claforan noch Rocephin für dieses Stadium geeignet, denn diese AB hemmen die Zellwandsynthese sich teilender Bakterien und wirken nur dadurch bakterizid.

2, Die Nebenwirkungen v.a. von Rocephin sind erheblich, sie reichen von einfachem Durchfall bis zur pseudomembranösen Colitis, von Ausbildung von Gallenblasengriess bis zur akuten Cholecystitis, die eine sofortige Operation erforderlich machen kann. Auch Allergien und Blutbildveränderungen bis zur Agranulocytose werden berichtet (s. a. Beipackzettel von Hoffmann-La Roche).

Dies wurde auch bei den neuesten Guidelines der IDSA (Infectious Diseases Society of America) vom Oktober 2006 so gesehen und man formulierte: “Zur Behandlung der frühen Form von Lyme-Disease ist Ceftriaxon-auch wenn es wirksam ist-so doch den oralen Substanzen nicht überlegen und es verursacht wahrscheinlicher als die empfohlenen oral einzunehmenden antimikrobiellen Substanzen ernsthafte Nebenwirkungen. Deshalb ist Ceftriaxon nicht empfohlen für Patienten mit Lyme-Disease in der Frühphase, solange keine neurologischen Beeinträchtigungen bestehen oder ein fortgeschrittener cardialer AV-Block“.

3, Betalactam-Antibiotika, v.a die Cephalosporine führten bei in-vitro-Versuchen vermehrt zur Ausbildung von cystischen Formen der Borrelien, d.h. sie waren nicht in der Lage, die Borrelien zu zerstören, sondern trieben sie in ihre „Hungerform“, die aber gleichzeitig auch eine Chronifizierung der Krankheit begünstigt. (Persönliche Mitteilung von Prof. Sievers, Hochschule Wädenswil, Schweiz im Februar 2007).

4,Mikrobiologische in-vitro-Untersuchungen an der Hochschule Wädenswil unter der Leitung von Prof. Sievers konnten auch zeigen, daß Chloroquin (z.B. Quensyl) Borrelien völlig zerstören kann, während dies mit dem Antiprotozoikum Metronidazol nicht gelang.

Dieses Forschungsergebnis bestätigt auch unsere klinische Beobachtung, dass die besten Therapie-Ergebnisse bei einer Kombinationstherapie von Makroliden mit Quensyl zu erreichen sind.

Aufgrund dieser Fakten und Informationen sollte deshalb das Dogma, dass nur eine Rocephin-Infusionstherapie der Gold-standard“ für die Therapie aller Borrelioseformen sei, zum jetzigen Zeitpunkt ernsthaft neu überdacht werden.

Denn während Rocephin in der Frühphase der Erkrankung eine gute Wirkung auf die sich teilenden Spirochäten haben mag/hat und v.a. bei Beteiligung des ZNS seine Anwendung berechtigt ist wegen der guten Liquorgängigkeit, gilt dies nicht für die chronischen Krankheitsphasen mit ihren überwiegend intrazellulär liegenden Borrelienformen.

Zusammenfassung:

Zum Schluß möchte ich noch einmal zusammenfassen, was ich bei der Behandlung meiner chronisch kranken Borreliose-Patienten gelernt und Ihnen hier dargestellt habe:

1, das zweistufige, von der IDSA in die deutschen Leitlinien der Fachgesellschaften übernommene diagnostische Screennnningprogramm zur Feststellung einer Borrelieninfektion hat große diagnostische Lücken, durch die bis zu 25 % der Betroffenen nicht erkannt werden, wenn man sich allein auf die Ergebnisse der AKund Immuno/Westernblotuntersuchungen verlässt und wenn man das wichtige diagnostische Instrument des LTT nicht einmal in die Untersuchungsbatterie miteinbezieht, weil man es für nicht ausreichend valide hält (Wiederholte Aussage von Mitarbeitern des Max-von-Pettenkofer-Instituts München, dem deutschen Borreliose-Referenzzentrum unter der Leitung von Frau Prof. Wilske).

2, Der Begriff „serologische Narbe“ ist ein Unwort, denn er führt viele Ärzte in den Irrglauben, dass Patienten, die „nur“ IgG-AK oder IgG-Immunoblot positiv sind, auch nicht behandlungsbedürftig seien. Dies kann zwar auch einmal der Fall sein, aber es ist keineswegs die Regel, denn zum Arzt kommen keine asymptomatischen AK-Träger, sondern kranke Menschen !!

3, Der pos. IgG-Western/Immuno-Blot ist neben dem pos. LTT der sensitivste Laborparameter für eine stattgefundene Borrelien-Infektion.

4, Die Cephalosporine der 3. Generation (Claforan, Rocephin) sind nicht für alle Krankheitsstadien der „Goldstandard“, sondern allenfalls für die Frühstadien mit neurologischen oder

cardialen Komplikationen (auch entsprechend den neuesten IDSA-Richtlinien von 10/06).

5, Geeignet für die Behandlung in der Frühphase scheint v.a. die Kombination Amoxicillin und Probenecid zu sein, während alle späteren Krankheitsstadien mit ihren überwiegend intrazellulär persistierenden Borrelienformen m.E. am besten therapierbar sind mit Makroliden in Kombination mit Hydroxychloroquin (Quensyl).

Die momentan beste Erklärung dafür ist, dass sich im chronischen Stadium nicht mehr genügend vermehrungfähige Borrelien in der Blutbahn befinden und deshalb die bakteriostatischen intrazellulär wirkenden Antibiotika gegenüber den Zellwandsynthese-hemmenden Antibiotika im Vorteil sind. Deshalb ist im Spätstadium der Borreliose eine Rocephin-Infusion nicht mehr als der „Goldstandard“ anzusehen.

Dies ist ein Beispiel dafür, wie sich Behandlungsstrategien durch die Beobachtung einer Erkrankung im Lichte neuer Erkenntnisse verändern müssen.

Denn immer noch gilt, was uns bereits vor 150 Jahren ein ganz Großer der klinischen medizinischen Forschung ins Gewissen geschrieben hat:

1825-1893